Günter Saalmann
1. Von Sonata, die einen Musikus wollte
Vor langer Zeit lebten in dem kleinen Reiche Siebenglück ein
kinderreicher König mit Namen Karl der Größte und seine Frau Königin Karoline,
die hatten sechs Töchter und einen Knaben. Alle waren hübsch und wohlgestalt,
und wir wissen ja: Prinzessinnen und Prinzen müssen heiraten, sonst haben die
Königsmärchen keinen Schluss. Aber die kinderreichen Eltern machten sich Sorgen
wegen des Geldes, welches sieben königliche Hochzeiten ja kosten. Darum beschlossen
sie, dass die Feste an den sieben Tagen einer einzigen Woche gefeiert werden
sollten. „Das ist ein Abwasch“, sprachen
sie, „außerdem müssen wir die Gästebetten nicht frisch beziehen, und vom guten
Honigbier kommt kein Schluck um.“
Der König machte sich also einen Merkzettel, darauf stand:
Projektwoche Hochzeit:
1. Prinzessin: Montag heiraten
2. Prinzessin: Dienstag heiraten
3. Prinzessin: Mittwoch heiraten
4. Prinzessin: Donnerstag heiraten
5. Prinzessin: Freitag heiraten
6. Prinzessin: Sonnabend heiraten
Nicht vergessen No 7: Der Prinz: Sonntag
heiraten.
Und er rief seine älteste Tochter und fragte:
„Was soll’s für ein Bräutigam sein, Töchterlein?“
Sonata, so hieß
die Prinzessin, war ein stilles Mädchen, malte gern Rosen, Häuschen mit Zaun,
Nachtigallen usw. und hörte vor allem gern Musik: Nie versäumte sie ein Konzert
der Stadtmusikanten drunten in der Stadt. „Herr Vater“, sprach sie, „ich wünsche
mir einen Gemahl, der ein Instrument spielen kann, er soll mir damit die Abende
versüßen.“
Des alten Königs Stirn umwölkte sich für einen Moment: Da war
er selbst doch ein anderer Kerl gewesen! Seine liebe Frau wusste es noch: Um
sie zu bekommen, hatte er einen bösen, fünfköpfigen Drachen töten müssen! Aber
der war im ganzen Reiche Siebenglück wahrscheinlich der letzte fünfköpfige
Drache gewesen. Jetzt gab es nur noch zahme, von der dreiköpfigen Sorte. Was halfs also? Wünschte sich die Prinzessin statt eines Helden
und Drachentöters einen Lautenzupfer und
Fiedelkratzer, so musste es ihr alter Vater wohl schweren Herzens zufrieden
sein.
Eilboten wurden ausgesandt, die mussten verkünden, dass der
beste Musiker des Landes die Prinzessin Sonata zur
Frau haben sollte. Die schlechten aber sollten ohne Gnade in Steine verwandelt
werden. Das war nämlich die Spezialität des königlichen Oberhofzauberers, das
Verwandeln in Stein.
Zugegeben, wir finden das heute doch sehr hart.
Der Montag war gekommen. Die Tore des Schlossparks öffneten
sich für die Bewerber und das Straßenpublikum.
Als erster trat ein Hornist vor die königliche Familie, ein
Dickwanst im grünen Rock mit Hornknöpfen, der vollführte hundert Kratzfüße und
redete von dem Musikgenuss, den man gleich haben sollte, bis die Prinzessin
ungeduldig wurde und sprach: „Anfangen! Bringen wir’s hinter uns!“ Wir merken
schon, irgendwie missfiel ihr dieser Freier.
Der Hornist aber blies sich auf, dass er aussah wie ein
Bierfass, und stieß ins Horn. Kaum aber hatte er drei Töne heraus gebracht, da
fingen erst der König und die Königin, hernach der Hofstaat und zuletzt das
Publikum an, in die Hände zu klatschen und mitzusingen:
Marmor, Stein und Eisen bricht,
aber unsere Liebe nicht ...
Allen gefiel das Lied, nur nicht der Prinzessin. Noch eh es
geendet hatte, rief sie: „Ihr habts nicht getroffen,
Herr Hornknopf, euer Spiel mag ich nicht!“
Was blieb dem König anderes übrig - er musste den Oberhofzauberer
rufen. Der Oberhofzauberer schwang seinen Stab und verwandelte den Dicken in
Marmorstein. Diener trugen ihn beiseite und setzten ihn auf den Rand des
Springbrunnens als Brunnenfigur.
Als nächster machte sich ein Sänger mit einer Gitarre
bemerkbar, der verteilte unter die Zuhörer Wunderkerzen, die sollten sie nachher
anzünden. Wie puppenniedlich er war! Ein zarte Locke
schlängelte sich in seiner Stirn, aber er fing noch nicht an, sondern zückte
ein Foto von sich, fragte den König nach seinem Namen und schrieb unter das
Bild:
Für Karl von Maik
und schenkte es dem Glücklichen.
„Maik!“ flüsterten sämtliche
Prinzessinnen, also auch die, welche heute gar nicht heiraten sollten, „Maik“, flüsterten die Hofdamen. Selbst Sonata
war von seiner Schönheit und seinem gar nicht schüchternen Auftreten
beeindruckt, und die Rose, die sie später dem Sieger zuwerfen wollte, zitterte
in ihrer Hand.
Nun aber begann Maik
umherzuspringen wie ein Grashüpfer, er streckte den Zeigefinger hierhin und
dorthin, als wollte er das Publikum aufspießen, und begann mit hoher Stimme zu
kreischen wie ein Papagei. Die Damen und auch die Ritter, ja, das ganze versammelte
Volk zündete die Wunderkerzen an und schwenkte sie im Takt. Wir Kinder von
heute, wir würden solch eine Papageienmusik ja nicht besonders finden, aber im
Lande Siebenglück war sie sehr in Mode. Wie verwunderten sich daher die Siebenglücker, wie groß war ihre Enttäuschung, als
plötzlich gebieterisch Sonatas Stimme erschallte:
„Den Papagei soll die Katze fressen!“
Dies geschah natürlich nicht, denn Maiks
Strafe war ja schon bestimmt: Der Oberhofzauberer schwang seinen Stab und verwandelte
ihn in Katzensilber, das ist eine Gesteinsart, die beim Schein von Wunderkerzen
glitzert wie Silber. Die Diener stellten auch ihn auf den Brunnenrand.
Lange wollte sich kein dritter Künstler melden, und es
entstand schon eine peinliche Pause mit Räuspern und Füßescharren
im Kies. Aber da erhob sich unter den Stadtmusikanten, die eigentlich nur für
den Hochzeitstanz engagiert waren, ein junger Flötenspieler mit wirr fallendem
Haar, den Prinzessin Sonata schon von ihren
Konzertbesuchen kannte. Sie hatte ihn bisher nur wenig beachtet, denn seine
Flöte erklang immer nur im Verein mit den anderen Instrumenten. Nun aber
verneigte er sich bescheiden und würdig und setzte sein Instrument an die
Lippen. Schon der erste Ton rührte an Sonatas Mädchenherz,
und auf einmal wusste sie, warum sie dem Orchester stets so gern gelauscht
hatte: Immer hatte sie aus dem Zusammenklang der Instrumente das seine herausgehört!
Die Flöte begann leise, ihr warmer Ton hob sich hinauf in den festlich
geschmückten Park, bald hoffnungsvoll, bald traurig, so als flöge dort oben,
unter dem Gewölbe der ehrwürdigen Eichbäume, ein verirrter, schöner Vogel. Mit
anderen Worten, der junge Mann spielte zum Steinerweichen schön, ganz ohne Publikumsgesang
und Wunderkerzen, und Sonata warf ihm ihre Rose zu.
Die Hochzeit wurde sogleich in großer Freude gefeiert. Der Flötenspieler
zog mit seiner Frau in ein Holzhaus am Wald, mit Rosen und Jägerzaun drum
herum. Sie bekamen nicht viel Besuch, da der Künstler von früh bis abends übte, rauf und runter, rauf und runter,
was Sonata nicht ganz so bezauberte, wie seine Musik
an dem denkwürdigen Tag, als er ihr Herz gewann.
Was aus den beiden verhexten Musikanten wurde? Nun, wir haben
ja gehört, dass das junge Paar extra in kein steinernes Haus gezogen
war, weil der Flötist ja zum Steinerweichen
schön flötete, was sicherlich bauliche Schäden am eigenen Heim verursacht
hätte. Aber der herzensgute Bräutigam war noch am Hochzeitstag, in der
Mittagspause, schnell heimlich mit seinem Instrument zum Springbrunnen
geschlichen, hatte seine Kollegen aus
Stein wieder erweicht und so den Zauber des Oberhofzauberers gelöst: Die beiden
haben noch am gleichen Abend quietschlebendig, aber diesmal ohne viel Aufsehen,
im städtischen Orchester zum Hochzeitsreigen aufgespielt. Nur einer war darüber
gekränkt, der Oberhofzauberer. Er kündigte den Dienst auf und kehrte zurück in
seinen Heimatort Oberhof, wo er ein Geschäft für Springbrunnen aller Art
eröffnete.
2. Von Melanja, die einen Koch wollte
Der kinderreiche König des glücklichen Reiches Siebenglück suchte seinen Merkzettel hervor, nahm sein Lineal und strich säuberlich den Montag durch, denn der war ja nun glücklich erledigt.
Projektwoche Hochzeit:
1. Prinzessin: Montag heiraten
2. Prinzessin: Dienstag heiraten
3. Prinzessin: Mittwoch heiraten
4. Prinzessin: Donnerstag heiraten
5. Prinzessin: Freitag heiraten
6. Prinzessin: Sonnabend heiraten
Nicht vergessen No 7: Der Prinz: Sonntag
heiraten.
Melanja, so hieß
die zweite Prinzessin, war ein fröhliches, dralles Mädchen, sie mochte Ball-
und Reigenspiele, wenn sie dabei nicht zu sehr außer Puste geriet; das Liebste
auf der Welt aber war für sie ein guter Bissen, und darum hatte sie sich
gelobt: Für mich muss es ein Koch sein.
Eilboten wurden ausgeschickt, die mussten verkünden,
derjenige, welcher der Prinzessin Melanja die
schmackhafteste Speise anrichten würde, sollte sie zur Frau bekommen, wer aber
ihr Missfallen erregte, der sollte in den Hungerturm zu den Mäusen geworfen werden.
Auf den Zinnen des Schlosses wurden Kochtöpfe geschlagen zu
Ehren des großen Tages, die Tore öffneten sich, die Untertanen strömten noch
zahlreicher herein als am Vortage, und wer Glück hatte, drängte sich durch bis
in die Schlossküche.
Das Feuer loderte schon lustig im Herd, Tiegel und Pfannen
blitzten und blinkten, da trat ein Prinz herein. Niemand kannte ihn, er hatte
goldenes Haar, trug ein Wams aus feinstem, brokatbesticktem Samt, geschlitzte
Pumphosen und weiche Schnabelschuhe. Fast bedauerte Melanja,
dass er sich nun, als hätte er sein Lebtag nichts anderes getan, ein blaukariertes Küchenhandtuch vorband und eine flache
Kochmütze auf die schönen Locken drückte, es dünkte sie, er wäre ohne diese
Arbeitskleidung ansehnlicher gewesen.
Schon gab der alte König Karl, nein, es war die Königin Karoline,
die das Zepter in Küche und Keller führte, das Zeichen zum Beginn der Prüfung.
Der Prinz stellte einen Topf Wasser zum Feuer, und als es sprudelte,
holte er aus dem königlichen Vorratskeller nichts weiter als Salz, eine Büchse
Hackfleisch in Tomatensoße und ein Paket Spaghetti. Darauf zog er sein Schwert,
was gar nicht einfach war wegen der Schürze, hieb die Spaghetti mittendurch und
warf sie ins kochende Salzwasser. Mit einem Schwertstreich öffnete er auch die
Hackfleischbüchse, wärmte sie, und als die Spaghetti weich waren, seihte er das
Wasser ab, schüttete das Fleisch darüber und kredenzte eine dampfende Schüssel
voll der Prinzessin.
Wir ahnen es - Hofstaat und Untertanen murrten über die einfache
Speise, die sie für ein gar kärgliches Mahl für eine Prinzessin ansahen, der
König und die Königin blickten ebenfalls ungehalten. Doch Melanja
nahm huldvoll die Schüssel aus der Hand des Prinzen, drehte die Gabel in den
Spaghetti, wobei sie dem schmucken Koch tief ins Auge schaute. Leider vergaß
sie zu pusten und verbrannte sich den Mund. „Unglückseliger! Seht, wie die
Prinzessin leidet!“ schrien die Hofdamen, aber die Prinzessin führte die Gabel
noch einmal zum Mund, schmeckte diesmal vorsichtig und begann tapfer zu essen.
Als aber die Schüssel halb leer war, sank ihre Hand mit der vollbeladenen
Gabel herab, und sie erbleichte.
„In den Hungerturm zu den Mäusen!“ befahl der König, und Melanja blickte betrübt hinterdrein, als die Wachen den
schönen Jüngling davonführten.
Als nächster trat einer an den Herd, dem war gleich
anzumerken, dass er ein echter Koch war - in frischem Weiß, mit turmhoher
Mütze. Er hatte eine rote Nase vom vielen Abschmecken der Rotweinsoßen, die er
im Leben schon gekocht, und ein Bäuchlein von den guten Braten, die er in seinem
Leben schon gespickt hatte. Behende machte er sich
ans Werk, holte Zutaten die Fülle herbei, einen Kapaun, edle Gewürze, allerlei
köstliches Obst für die Füllung. Und während der Vogel auf dem Herd lieblich
brutzelte, bereitete er die Vorspeise, Eierkuchen aus Lercheneiern, die wendete
er in der Luft, dass sie aufstiegen und niedersanken wie Lerchen im Feld. Als
Nachtisch schlug er eine duftende Creme, die war so locker und luftig, dass
eine Mücke hindurchflog und es nicht einmal merkte.
Darauf deckte er ein Tischchen mit schneeweißem Damast, legte
kostbares Besteck auf, stellte funkelndes Kristall und eine Vase mit einer
gelben Chrysantheme dazu und kredenzte nacheinander Vorspeise, Hauptgang und
Nachspeise. Von allem aber nahm die Prinzessin nur ein Gäbelchen
oder ein Löffelchen voll, schüttelte den Kopf und stieß schließlich das
Tischchen um.
„In den Hungerturm zu den Mäusen“, rief der König, und diesmal
zeigte sich auf den Zügen von Melanja kein Bedauern,
als der unglückliche Koch davongeschleppt wurde.
Nun müssen wir aber eine Vermutung äußern und uns fragen, wieso
es kam, dass die Prinzessin diese erlesenen Dinge nicht mochte, die doch vom
Besten waren, was Küche und Keller boten? Hatte sie sich womöglich am Vortag
auf der Hochzeit ihrer Schwester überfuttert und war einfach satt, sehr, sehr
satt? Dazu kam, nicht zu vergessen, die halbe Schüssel Spaghetti mit Hackfleisch!
Nun war guter Rat teuer, ein dritter Bewerber wollte sich
nicht melden, aber geheiratet musste schließlich werden, denn es war schon
Mittag.
Endlich trat ein hagerer Herr mit funkelnder Brille an den
Herd. In seiner Kochuniform sah er eher aus wie ein Herr Professor oder Doktor,
und tatsächlich hatte auch er bereits ein Kochbuch geschrieben: Schonkost für
Prinzessinnen mit verdorbenen Mägen. „In diesem Falle“, sprach
er, „hilft nur ein kräftiger Kamillentee ohne Zucker mit ein wenig Zwieback!“
Und er kochte den Tee recht bitter und gab ihn der Prinzessin ohne Zucker, zusammen
mit dem Zwieback. Sie knabberte, nippte - und begann zu weinen.
„In den Turm zu den Mäusen“, riefen König, Königin, Hofstaat
und Untertanen. Und so geschah es.
Da aber trocknete Melanja ihre
Tränen und sprach mit schwacher Stimme: „Bringt mir den Prinzen wieder! Bitte!
Mir ist, als hätten seine Spaghetti eine sonderbar feine Würze gehabt!“
Die Wachen brachten den Prinzen, nahmen ihm die Ketten ab und
schüttelten die Mäuse aus seinen Kleidern. Da verwandelte er sich in einen
italienischen Koch aus der Stadt Bologna, der fiel vor Melanja
nieder und umklammerte ihre Knie: „Madonna mia! Du
hast mich erlöst! Ich war von einer bösen Hexe verwünscht und musste als Prinz
sieben Jahre durch die Welt stolzieren! Wenn ich nicht bis heute eine
Prinzessin gefunden hätte, die Spaghetti mit Tomatenhackfleisch mag, hätte ich
abermals sieben Jahre suchen müssen. Willst du meine liebe Frau werden?“
Melanja verzog ein
bisschen das Gesicht, aber wirklich nur ein bisschen, denn immerhin, auch als
Koch war der Prinz noch hübsch und ansehnlich. Sie sagte ja, und die Hochzeit
wurde mit großer Pracht gefeiert. Und an die Untertanen, die vor dem Schlosstor
warteten und keinen Einlass mehr gefunden hatten, wurden Riesenportionen
Spaghetti bolognaise verteilt, so dass an diesem Tag
jedermann satt wurde. Die beiden Köche aus dem Hungerturm aber wurden begnadigt
und durften nach Herzenslust Spaghetti kochen bis in die Nacht hinein.
3. Von Barbarine, die einen Ritter wollte
Der kinderreiche König des glücklichen Reiches Siebenglück suchte seinen Merkzettel hervor, nahm sein Lineal und strich säuberlich den Dienstag durch, denn der war nun auch glücklich erledigt.
Projektwoche Hochzeit:
1. Prinzessin: Montag heiraten
2. Prinzessin: Dienstag heiraten
3. Prinzessin: Mittwoch heiraten
4. Prinzessin: Donnerstag heiraten
5. Prinzessin: Freitag heiraten
6. Prinzessin: Sonnabend heiraten
Nicht vergessen No 7: Der Prinz: Sonntag
heiraten.
Der König rief die dritte Prinzessin, mit Namen Barbarine, und fragte: „Was soll’s für einer sein, mein Töchterlein?“ Barbarine aber war ein kriegerisches Mädchen, geübt im Ritterspiel und -Ritterkampf, und man sah sie tagaus, tagein, auf dem Rücken ihres wackeren Pferdes mit Namen Stapf-tapf-apf.
„Ach, Herr Vater“, sprach sie, „Ich möchte einen mutigen
Kerl, einen guten Soldaten, einen Mann von hohem Sinn, der den Schneid hat,
sogar gegen mich zu kämpfen, und
einen schwarzen Schnauzbart soll er haben!“
Diese Antwort war ganz nach des Königs Geschmack, und so
sandte er wiederum Eilboten ins Land, die mussten verkünden, dass sich die
tapfersten, schnauzbärtigsten Herren beim Ritterspiel messen sollten, der
Sieger aber müsste gegen seine Tochter kämpfen, sie wollte ihn entweder
besiegen oder heiraten, zur Not auch beides. Die Ausgeschiedenen aber sollten
hinaus ins Feld geschickt werden, die Feldmäuse zu erschlagen.
Da rollten die Trommeln, da richteten sich die Lanzen auf, da
flatterten die Fähnchen, da marschierten die wilden Haufen heran, denn
Raufbolde gab es, wie überall, genug, und an der Spitze trabten die Ritter in
blitzendem Harnisch und wehendem Federbusch, die feurigen Rösser schnoben, und
Staub wolkte unter den Hufen. So ritten sie in den
Schlosshof, wo schon die königliche Familie und das Gefolge warteten. Barbarine war bräutlich
geschmückt, eine blutrote Lilienblüte glühte in ihrem schwarzen Haar, ihr Auge
funkelte mit den Rüstungen um die Wette.
Zuerst ritt ein schwarzer Ritter in den Kreis, er hieß Herr
Lanzelot v. Haudegen, als zweiter kam ein roter Ritter, er hieß Herr Harald v.
Klirr. Noch hatten sie ihr Visier nicht herabgeklappt, noch konnte Barbarine ihre prächtigen Schnurrbärte gebührend bewundern.
„Herr König, Frau Königin, hochedle Prinzessin“, begann Herr
Lanzelot mit gewaltiger Stimme, „ich will jenen dreisten Klirr mit dem ersten
Lanzenstoß aus dem Sattel werfen, dass ihm alle Englein brechen und er die
Knochen im Himmel singen hört!“
Aber auch Herr Harald erhob seine Stimme mit Donnergewalt, er
schwor, noch ehe das nächste Morgenrot zum drittenmal
krähte, sollte die Prinzessin die Seine werden.
„Wohlan denn“, sprach der König und hob die Hand zum Beginn
des Kampfes.
Die Visiere klappten herunter, die feurigen Streitrösser
tänzelten, Funken stoben unter den Hufen, da wurden die Lanzen eingelegt, schon
sprengten die Reiter heran, Herr Haudegen führte im Schilde das Verderben, Herr
Klirr den Gevatter Tod, da prallten sie mit Getöse zusammen, Blitz auf Blitz,
doch keiner fiel, schon wandten sie die Rosse zum zweiten Gang. Und wieder
stürmten sie aufeinander ein, noch fürchterlicher als zuvor, diesmal klapperten
schon die verbeulten Rüstungen im rasenden Ritt, diesmal trafen sie daneben,
und weil jeder solchen Schwung hatte, jagten sie über die Schlossmauern hinweg
in die weite Welt hinein, und niemand hat sie je wiedergesehen. Womöglich jagen
sie noch heute den Feldmäusen hinterher.
Noch viele Herren kämpfen an diesem Tag, einer aber war stärker
als die anderen und besiegte sie alle, ein Ritter mit wehendem Mantel über der
Rüstung, ganz in Weiß, mit einem Blumenstrauß, den legte er der Prinzessin zu
Füßen, sein Schnauzbart glich dem eines Kaisers.
Da rötete sich Barbarines Antlitz,
nun legte auch sie ihren Harnisch an, und sein Glanz überstrahlte den Glanz der
Sonne: Er war mit purem Gold beschlagen, ihren Schild schmückten drei rote Lilien,
und sie umgürtete ihren Leib mit dem geflammten Schwert. Sie bestieg ihr
wackeres Pferd Stapf-tapf-apf, senkte das Visier
ihres gekrönten Helms, fasste fest die eichene Lanze.
Und wieder sah man zwei Reiter aufeinanderprallen, die Lanzen
splitterten, sie zogen die Schwerter, die Schwerter verbogen sich, sie griffen
zu den Streitäxten, mit denen hieben sie aufeinander ein, dass es pink und pank klang wie in einer Schmiede.
Endlich sank der weiße Ritter geschlagen aus dem Sattel, und
der Sand färbte sich rot von der Himbeerlimonade aus seiner Sattelflasche.
Barbarine sprang vom
Pferd, trat herzu und wollte ihm die Hand zum Ehebund reichen. Auch wenn er am
Boden lag: Immerhin hatte er gewagt, gegen sie zu kämpfen, auch war sein
stattlicher Schnauzbart unversehrt geblieben. Doch zum Heiraten hätte er
zunächst erst mal aufstehen müssen. Aber seine Scharniere, sein Brustpanzer,
die Knieschienen, alles war so verbeult, dass es nicht ging.
Da öffnete sich seitwärts in der Schlossmauer ein Pförtchen, und herein marschierte singend ein Häuflein
Soldaten, die trugen dunkelblaue Uniformen und Generalsmützen. Voran schritt
ein netter junger Mann mit einer Gitarre. Sobald der Gesang geendet hatte, gab
er sein Instrument einem seiner Soldatinnen – es waren auch Damen darunter
- zum Halten und ließ sich dafür ein
Köfferchen mit einem roten Kreuz reichen. Er kniete neben dem Gestürzten nieder
und suchte eine Zange hervor.
Jedem, der aufmerksam zugehört hat, ist aufgefallen, dass in
diesem Märchen noch kein einziges Mal gezaubert wurde. Was aber ist ein Märchen
ohne Zauberei?
Als der nette junge Mann so mit der Zange hantierte, um den
Bräutigam zu befreien, da neigte plötzlich das wackere Pferd Stapf-tapf-apf das kluge Haupt zu Prinzessin Barbarines Ohr und flüsterte: „Nimm den, Jungfrau!“
„Welchen?“, flüsterte Barbarine
zurück. Sie hob ihr Visier, und wieder war ihr Antlitz gerötet, vielleicht noch
vom Kampf, vielleicht aber auch, weil sie sich gerade in diesem Augenblick in
den netten jungen Mann mit dem Köfferchen verliebte. Sie sah, wie seine
freundlichen Hände dem eingeklemmten Ritter aus der Rüstung halfen, bewunderte,
wie geschickt sie das Heftpflaster abrollten.
„Welchen? Da fragst du?“ fuhr das Pferd fort. „Siehst du
nicht, dass er von der Heilsarmee
ist, die alles wieder heil macht? Die
Heilsarmeesoldaten sind die besten der Welt, und er ist ihr Leutnant.“
Da verlor Barbarine ihren
kriegerischen Sinn. Auch sie ließ sich aus ihrem eisernen Anzug helfen und war
schön anzusehen wie der Morgen und reichte dem Leutnant die Hand.
Und wieder wurde eine Hochzeit gefeiert, und alle waren froh.
Der Ritter Ganz-in-Weiß bekam einen einträglichen
Posten als Schlossgespenst, zu besichtigen täglich außer montags. Barbarine und ihr Leutnant aber zogen bald fort. Sie
arbeiten jetzt gemeinsam auf den Treppen des Hauptbahnhofs und kümmern sich
dort um die Gestürzten. Das wäre also schon der zweite Zauber in diesem
Märchen: Wer schon auf dem Hauptbahnhof war, kann sich vorstellen, wie schwer
es ist, ein solch riesenhaftes, modernes Bauwerk in ein kleines Märchen
hineinzuzaubern.
So lebten sie fortan glücklich. Des Leutnants einziger Fehler
war, dass er keinen Schnauzbart hatte, aber den kann er sich ja noch wachsen
lassen.
4. Von Clothilde, die den reichsten Mann der Welt wollte
Der kinderreiche König des glücklichen Reiches Siebenglück suchte seinen Merkzettel hervor, nahm sein Lineal und strich säuberlich den Mittwoch durch, denn der war nun auch glücklich erledigt.
Projektwoche Hochzeit:
1. Prinzessin: Montag heiraten
2. Prinzessin: Dienstag heiraten
3. Prinzessin: Mittwoch heiraten
4. Prinzessin: Donnerstag heiraten
5. Prinzessin: Freitag heiraten
6. Prinzessin: Sonnabend heiraten
Nicht vergessen No 7: Der Prinz: Sonntag
heiraten.
Erwähnte ich schon, das alle drei
bisherigen Schwiegersöhne nicht eben viel Geld in die Ehe mitgebracht hatten?
Um so mehr freuten sich der alte König Karl der Größte und seine Frau Königin,
als die vierte Prinzessin ihren Willen mitteilte, keinen anderen zu heiraten
als den reichsten Mann der Welt. Denn sie liebte Prunk und Glanz, schöne
Kleider und edle Kutschpferde.
Nun ist es so: Die reichsten Leute der Welt lassen sich nicht
einfach so herbeikommandieren, wie Musikanten, Köche oder Leutnants von der
Heilsarmee. Wo die Taler klingeln, sind die Befehle des Königs nicht zu hören.
Was blieb der Prinzessin - sie hieß übrigens Clothilde - was blieb ihr übrig, als sich in eigener Person
auf den Weg zu machen, den reichsten Bräutigam der Welt zu suchen? Sie zog also
Männerkleider an, nahm in aller Herrgottsfrühe Abschied von Eltern und
Geschwistern, bestieg ihre sechsspännige Kutsche und nahm als Begleiter
niemanden mit als ihren jungen hübschen Leibkutscher.
Als sie eine Weile gefahren waren, kamen sie an eine
Herberge, und die verkleidete Prinzessin fragte nach dem reichsten Mann. „Den
bekommt Ihr nicht zu Gesicht, junger Herr“, versetzte der Wirt, „Ihr könnt Euch
höchstens in seinem Haus als Hausknecht verdingen und hoffen, dass Ihr ihn
eines Tages die Treppe herabkommen seht!“
Die Prinzessin bedankte sich für den Rat und fuhr zu dem prächtigen
Gebäude, das der Wirt ihr genannt hatte. Die Kutsche hielt um die Ecke, und Clothilde schritt zu Fuß weiter, pochte bescheiden an und
bat um einen Dienst als Hausknecht. „Wird nicht benötigt“, sagte der Mann am
Tor unfreundlich. Er war nämlich selbst der Hausknecht. „Ich könnte die Teller
waschen!“, schlug Clothilde vor. „Tellerwäscher erst
recht nicht!“ Und damit schlug er ihr die Tür vor der Nase zu.
Das verwunderte die Prinzessin nun aber doch, dass in so
einem großen Haus kein Tellerwäscher gebraucht werden sollte. Sie schlich also
am Zaun entlang, fand ein Schlupfloch, stieg im Garten in einen hohen Baum und
blickte durch das Fenster. Was musste sie da sehen! Der reiche Mann stand
selbst in der Küche und wusch die Teller! Mit geübter Hand! Und die Teller
waren allesamt aus purem Silber! Jetzt war Clothilde
alles klar: Er war früher selbst ein Tellerwäscher gewesen und hatte das
kostbare Geschirr bei seiner Dienstherrschaft gestohlen! Das durfte natürlich kein fremder Tellerwäscher
erfahren.
Ja, und darum war er jetzt so reich!
Die Prinzessin kletterte vom Baum und lief zu ihrem hübschen
Kutscher zurück und sagte: „Pah, silberne Teller. Wenn es wenigstens goldene
wären!“
So fuhren sie weiter und gelangten in einen tiefen Wald.
Nicht lange, so kamen sie an eine Höhle, darin hauste der Räuber und Einbrecher
El Kapaun.
„Nur immer heran!“ rief El Kapaun erfreut, als er die
schmucke Kutsche mit dem königlichen Wappen erblickte. Als die Prinzessin
ausstieg, merkte er auch gleich, dass sie bloß verkleidet war, denn Räuber
haben einen Blick für Verkleidungen. Bei sich dachte er: Die Prinzessin behalte
ich, den Kutscher kann ich ja um die Ecke bringen.
Er stellte sich freundlich und bat den jungen Herrn und den
Kutscher an seinen Tisch, der war gedeckt mit Rebhuhn, Wein, Kuchen,
Schokolinsen und Selleriesalat, und noch ahnten die beiden müden Gäste nichts
Böses. Bediente kamen, die aber allesamt verkappte
Räuber waren, und trugen noch mehr Speisen herein - und zwar auf goldenen Tellern! Sie gossen Wein in goldene Pokale! Der Kutscher aß und
trank und ließ es sich wohl sein. Die Prinzessin aber rührte keinen Bissen an,
denn sie war noch satt von den drei Hochzeitsmählern ihrer Schwestern. Auch
trank sie nicht aus ihrem Pokal, und das war klug - der Räuber hatte nämlich
einen Schlaftrunk hineingeschüttet. Leider sprach der arme Kutscher seinem
Getränk weidlich zu, und bald legte er sein Ohr in seinen goldenen Teller mit
Tomatensuppe und schlief. Da merkte Clothilde
endlich, was der Hausherr im Schilde führte, und war auf ihrer Hut.
Als er sie in ihr Schlafgemach führte, sah sie sofort: Hier
stimmt wieder etwas nicht, es ist ja erst Mittag! Ha, und die Daunenkissen im Bett liegen merkwürdig
schief! Bestimmt ist darunter eine Falltür, die hinab in einen tiefen Schacht
führt! So dachte sie bei sich, tat, als wüsste sie nicht, wie sie sich in das
Bett legen sollte und bat den Herrn El Kapaun, er möchte es ihr zeigen. Und mit
einem einzigen Stoß stieß sie ihn hinab und rief ihm nach: „Ha, böser Räuber
und Einbrecher, was sagst du nun? Auf diese Art einzubrechen ist nicht nach
deinem Geschmack, gelt?“
Dann rettete sie schnell den hübschen Kutscher aus der
Tomatensuppe, trug ihn in die Kutsche und setzte sich selbst auf den Bock.
„Pah, goldene Teller“, sagte sie. „Wenn sie wenigstens aus Platin wären! Hüh!“
Und in gestrecktem Galopp floh sie von diesen unheimlichen
Ort.
Kurz darauf kamen sie an eine Stadt und fragten am Tor, ob es
hier nicht einen reichen Mann gäbe. „Oho!“ antwortete die Schildwache, „immer
geradeaus, dann links, dann rechts, dann durch den Tiefstall, dort könnt Ihr
die Pferde anbinden, und dann dreihundert Stockwerke aufwärts, dort sitzt der
reichste Mann der Welt!“
Als sie ankamen, fanden sie alles so, wie die Schildwache
ihnen gesagt hatte. Der Reiche saß am Tisch und aß, sein Teller war aus Pappe,
aus Plastik das Besteck, und als er fertig war, warf er alles in den
Müllschlucker. Da wusste die Prinzessin, dass er wirklich der reichste Mann der
Welt sein musste: Einer, der sein Geschirr nach jeder Mahlzeit wegwarf, war
reicher als die anderen. Sie legte ihre Männerkleidung ab und gab sich zu erkennen.
„Sehr erfreut“, sagte der reichste Mann und stellte sich
ebenfalls vor, er hieß Lord McDonald, war nicht mehr der Jüngste, aber ein
charmanter Herr, und er schenkte ihr gleich ein entzückendes Brautkleid aus Papier.
Wer nun glaubt, Clothilde habe am
Ende doch noch ihren hübschen Kutscher geheiratet, der kennt Prinzessinnen
nicht, die den reichsten Mann der Welt haben wollen. Nein, sie wurde tatsächlich
eine Lady McDonald, und die Hochzeit wurde noch an diesem Donnerstag in aller
Stille gefeiert.
Wieso in aller Stille? Nun, Ihr könnt es Euch sicher denken:
Pappgeschirr klirrt und klappert nicht, Pappbecher klingen nicht fröhlich, so
wie Gläser aus Kristall beim Anstoßen auf das Wohl des Brautpaars.
Der Kutscher aber war wieder munter, wusch sich das eine Ohr
und wurde heimgeschickt wegen Bettwäsche aus Stoff. Und er musste dem König und
der Königin Botschaft bringen, dass alles nach Wunsch geklappt hatte, und sie
sich keine Sorgen zu machen brauchten. Bei Hofe war die Freude natürlich groß,
und der König malte eine Urkunde, darin beförderte er den neuen Schwiegersohn
zu seinem Finanzminister. Mit dieser guten Nachricht kehrte der hübsche
Kutscher eilig zu Clothilde zurück, und die drei
lebten herrlich und in Freuden miteinander bis an ihr seliges Ende.
5. Von Hokapoka, die einen Zauberer wollte
Der kinderreiche König des glücklichen Reiches Siebenglück suchte seinen Merkzettel hervor, nahm sein Lineal und strich säuberlich den Donnerstag durch, denn der war nun auch glücklich erledigt.
Projektwoche Hochzeit:
1. Prinzessin: Montag heiraten
2. Prinzessin: Dienstag heiraten
3. Prinzessin: Mittwoch heiraten
4. Prinzessin: Donnerstag heiraten
5. Prinzessin: Freitag heiraten
6. Prinzessin: Sonnabend heiraten
Nicht vergessen No 7: Der Prinz: Sonntag
heiraten.
Heute, am Freitag, war die fünfte Prinzessin an der Reihe.
„Ich will keinen anderen als einen Zauberer!“, verlangte
Prinzessin Hokapoka - so hieß sie - „und er soll gut
aussehen wie Hartmut Mehlhorn.“
Nun weiß vielleicht nicht jeder von uns, wer Hartmut Mehlhorn
ist, darum verrate ich es jetzt: Hartmut Mehlhorn ist ein - in der Tat recht
gut aussehender - Zauberer, der bereits einmal in Siebenglück gastiert hatte -
damals, als die Prinzessin zehn Jahre alt war. Er hatte es seinerzeit
fertiggebracht, einen Eisenbahnwaggon komplett wegzuzaubern, und zwar einen
Speisewagen. Das hatte einen tiefen Eindruck in den Herzen der Siebenglücker hinterlassen, besonders aber im Herzen von Hokapoka. Ja, so einen Zauberer wollte sie fürs Leben!
Doch zunächst wurden wieder Eilboten ausgesandt, die mussten
zum großen Zauberwettstreit aufs Königsschloss laden.
Diesmal drängte sich das Volk im Hoftheater. Auf den Ehrenplätzen
in der ersten Reihe saß die Königsfamilie.
Als erster betrat der Zirkuszauberer Signore Hokus Pokus Spirelli
die Bühne, er trug einen Frack mit weiten Ärmeln und einen Zylinderhut, aus dem
er sogleich ein süßes weißes Kaninchen hexte. Und hinterdrein eine Schlange,
die sich unter dem Hut mit dem Kaninchen gut vertragen hatte. Ich muss
allerdings erwähnen, dass es sich um eine Papierschlange handelte, wie wir sie
zu Fasching benötigen. Aber das Kaninchen war nicht aus Papier, es hoppelte von der Bühne, geradewegs auf Hokapokas Schoß. Natürlich konnte der Signore Spirelli noch mehr: Seidentüchlein verwandelten sich in
flatternde Tauben, die goldene Taschenuhr des Königs wurde samt Kette in einem
Mörser zerstampft, und als der König sie eigenhändig herauszog, hing an der
Kette eine dampfende Boulette. Ein Meerschweinchen
verwandelte sich in ein Märchenschwein,
das rannte auf der Bühne herum und quiekte mit menschlicher Stimme: „Wo ist das
tapfere Schneiderlein, wo ist das tapfere Schneiderlein?“ Denn aus diesem
Märchen war es entlaufen. Es fand sein Schneiderlein aber nicht, sondern nur
die Uhr, die plötzlich wieder aus Gold war, es trug sie in der Schnauze zum
König. Ein Schwein mit Uhr sieht ja nun sehr possierlich aus, und doch rümpften
einige Hofdamen die Nasen und meinten, sie wären zwar Zuschauerinnen, aber keine Zuriecherinnen.
Die Prinzessin klatschte in die Hände und rief: „Der nächste
Zauberer bitte!“ Sie fand nämlich, dass Signore Spirelli
absolut nicht aussah wie Hartmut Mehlhorn, da mochte er noch so interessant zaubern.
Der nächste sah zwar fast aus, wie ihr Kindheitsschwarm,
blickte aber mit seinen dunkelblauen Augen seltsam starr, ungefähr wie ein
Nussknacker zur Weihnachtszeit. Er hieß Gospodin Hokius Pokius Kaminski, verneigte
sich zur Königsfamilie hin und bat sechs mutige Personen auf die Bühne.
Kein Zufall, dass die sechs, die sich meldeten, allesamt
junge, turn- und sportbegeisterte Burschen waren. Denn diese halten sich ja
stets für mutig. Hokius Pokius
beglückwünschte sie zu ihrer Tapferkeit und gruppierte sie auf- und
übereinander zu einer wunderschönen Turner-Pyramide. Dann bat er sie, stille zu
halten und warf einen Vorhang über das lebende Standbild. Der Vorhang schwankte
noch ein bisschen, aber nun schwang Gospodin Hokius-Pokius Kaminski seinen Zauberstab, da hielten sie
wirklich still. Er zog den Vorhang wieder weg, die fünf mutigen Turner waren in
Stein verwandelt!
„Dieses Standbild stifte ich dem königlichen Schloss!“
verkündete er. „Ich empfehle, einen neuen Springbrunnen damit zu schmücken, ich
hätte da ein günstiges Angebot. Springbrunnen liegen zur Zeit
sehr im Trend!“
„Reißt ihm mal die Maske ab!“ befahl die Prinzessin. Und da
zeigte sich: Sein Hartmut-Mehlhorn-Gesicht war eine Maske gewesen! Alle
erkannten ihn wieder: Er war der ehemalige Oberhofzauberer des Königs! Jüngst
hatte er den Dienst im Schloss aufgekündigt und einen Springbrunnen-Laden
eröffnet, und seine heutige Show war nichts als Werbung, von Heiratabsichten
keine Spur!
Eilends wurde Hokapokas Schwager
gerufen, jener, der zum Steinerweichen schön Flöte spielen konnte. Er spielte die
Zauberflöte, und dadurch wurden die Steine wieder lebendig, und der falsche Gospodin Kaminski kam mit zwei blauen Augen davon.
Nun aber rauschte eine himmlische Musik empor, auf die Bühne
schwebte durch funkelnde Sterne, lodernde Flammen und viel Nebel der Magier Sir
Hokissimus Pokissimus Flourhorn. „Hinreißend!“ riefen die Hofdamen, „Sieht er
nicht aufs Haar aus wie Hartmut Mehlhorn?“
Und wie er jetzt blitzenden Auges das Treppchen herabschritt und der Prinzessin den Arm bot! Sie gab ihrem
Vater das Kaninchen zum Halten und fand auf ihrem Schoß - zwei niedliche Ostereier,
kaffeebohnengroß: Das Kaninchen war der Osterhase! Das hatte allein Sir Hokissimus Pokissimus zuwege
gebracht. „Zaubert er nicht auch wie Hartmut Mehlhorn?“ riefen die Hofdamen.
Was soll ich sagen, auf der Bühne stand auf einmal ein kompletter
Speisewagen, darauf las man die Worte SPEISEWAGEN; DINING CAR,
WAGON-RESTAURANT. „Wenn es in drei Sprachen dran steht, muss es wohl auch ein
echter Speisewagen sein, nicht wahr?“ sprach augenzwinkernd Sir Hokissimus Pokissimus zur
Prinzessin. „Oder möchten Hoheit nicht doch lieber kontrollieren?“
Hokapoka
durchschritt den gesamten Waggon, begrüßte den Koch und den Kellner und kostete
von der Instant-Soße und vom Instant-Kaffee.
Sie stieg wieder aus und verkündete, dass alles seine Richtigkeit habe. Da
wurde wie gewohnt eine riesige Zeltplane über den Wagen gezogen, und dann war
er weg!
Nun, wir ahnen es - der Name Sir Hokissimus
Pokissimus Flourhorn war
nur ein Künstlername. Ja, dieser Zauberer sah nicht nur aus wie Hartmut
Mehlhorn, zauberte nicht nur wie er, er war
es, Hartmut Mehlhorn! Da war der Jubel groß, und zum Schluss saßen alle: Hokapoka, Hartmut, der König Karl, die Königin Karoline,
die zwei noch unverheirateten Geschwister, die fünf mutigen Turner, der
Flötenspieler, der Osterhase, das Märchenschwein - halt, das Schwein nicht -
sie saßen beim Hochzeitsschmaus im - jawohl, sie saßen im Speisewagen, den
Hartmut nämlich auf ein Abstellgleis gehext hatte.
Noch am gleichen Abend reiste Hokapoka
mit ihrem Traumbräutigam ab und wurde seine Gehilfin oder Assistentin.
Natürlich vollbrachte er später noch zahlreiche andere Zauberkunststücke, zum
Beispiel das Zersägen einer Jungfrau. Und wer ihn einmal im Fernsehen sieht,
dem sei verraten, welche von seinen zahlreichen Assistentinnen die Prinzessin Hokapoka ist: die Blonde mit dem Pagenschnitt,
die beim Durchgesägtwerden immer so nett lächelt, als
wäre es nichts.
6. Von Cassiopeia, die nicht heiraten wollte
Der kinderreiche König des glücklichen Reiches Siebenglück suchte seinen Merkzettel hervor, nahm sein Lineal und strich säuberlich den Freitag durch, denn der war nun auch glücklich erledigt.
Projektwoche Hochzeit:
1. Prinzessin: Montag heiraten
2. Prinzessin: Dienstag heiraten
3. Prinzessin: Mittwoch heiraten
4. Prinzessin: Donnerstag heiraten
5. Prinzessin: Freitag heiraten
6. Prinzessin: Sonnabend heiraten
Nicht vergessen No 7: Der Prinz: Sonntag
heiraten.
Das kleine Königreich Siebenglück hatte bisher mit der
Verheiratung seiner Prinzessinnen keine Not gehabt. Und ausgerechnet am Sonnabend,
wo doch von alters her die meisten Paare sich das Ja-Wort geben, kam es zu
einer Stockung: die sechste, Prinzessin Cassiopeia,
wollte nicht!
„Ich hätte es mir früher denken sollen“, sprach die alte
Königin Karoline bekümmert. „Schon als Kind war sie so seltsam und mochte keine
Barbie-Puppen. Nun sehen wir, wohin das führt.“
Es ist nämlich so: Wer Barbie-Puppen mag, lernt früh, was
hübsch und schön ist. Der weiß, was es bedeutet im Leben eines Mädchens, schlank
zu sein, einen Busen zu haben und lange, spitze Beine. Und dann, im Tüllkleid
mit pinkfarbenem Schleier, am Arm eines süßen Bräutigams in eine weiße
Hochzeitskutsche zu steigen.
Cassiopeia wusste das
alles nicht zu schätzen, auch nicht, als sie schon selbst zu einem hübschen und
ansehnlichen Fräulein herangewachsen war. Sie fand von vornherein alle Prinzen
blöd und hohlköpfig. „Wenn ich schon diese Sammetwämser sehe! Diese Goldlocken!
Diese Federn am Hut! Die albernen Degen an der Seite, die Schnabelschuhe!“ Sie
durchsuchte sämtliche bunten Zeitungen, die sie im Schloss finden konnte, aber
kein einziger der dort angebotenen Prinzen fand ihre Gnade. „Sie sehen alle aus
wie Butterkremröschen auf Zuckertorten“, meinte sie.
Nun gut, auch ihre Schwestern hatten keine Prinzen abbekommen,
das musste ja nicht sein. Wen aber wollte sie dann? Einen anderen hatte sie ja
leider ebenfalls nicht im Sinn! „Ich warte, bis der Richtige kommt, und solange
heirate ich nicht, und damit basta!“, sprach sie und eilte in ihr Gemach, um -
ja, es ist kaum zu glauben - das Zählen
zu üben, denn diese Kunst war ihre wahre Lust und Leidenschaft.
Es gibt Prinzessinnen, die können nicht bis drei zählen, Cassiopeia aber konnte schon bis hundert! So saß sie denn
Tag und Nacht am Fenster und murmelte „Eins, zwei, drei vier ...“ und so fort.
Was aber zählte sie? Niemand im ganzen Königreiche wusste es genau. Hatte sie
einen heimlichen Schatz in ihrer Truhe versteckt, zählte sie also Goldstücke?
Dukaten, Dublonen, Taler? Die Knöpfe an ihrem Kleid?
Die Blütenblättchen im Blumenstrauß auf der Fensterbank?
Der König in seiner Verzweiflung berief den königlichen Rat.
Das waren die Klügsten im Reich, das heißt also die Minister und die gelehrten
Männer mit den Rauschebärten. Diese eilten aus ihrer Ratsstube herbei, wo sie
gewöhnlich tagten, und der König fragte sie, was im Fall von Cassiopeia zu tun sei. „Sie will warten, bis der Richtige
kommt!“, so klagte er ihnen seine Not.
Die Minister und gelehrten Rauschebärte kratzten sich hinterm
Ohr und empfahlen heiße Schlammbäder im Wechsel mit eiskalten Umschlägen. Da
meldete sich ein junger fahrender Schüler, der eigentlich nur auf der
Durchreise war. Er kam aus dem Land Samarkand, war rein zufällig in der
Ratsstube abgestiegen und hatte dort schon von Cassiopeias
seltsamem Fall gehört. Er hieß Ulug Beg. „Ich will
schon Rat schaffen!“ sprach er, und raunte dem König etwas ins Ohr.
Der König erstaunte über die Klugheit und Weisheit des noch
so jungen Mannes und willigte sogleich in seinen Plan. Und er schickte wiederum
Eilboten aus, wie schon an den anderen Wochentagen, die mussten im ganzen Land
verkünden: „Jedermann, der die Prinzessin Cassiopeia absolut nicht heiraten will, soll heute,
Samstag, vor dem Schloss erscheinen!“
Und so geschah es.
Zur festgesetzten Zeit strömten alle herbei, denen Cassiopeia mit ihrer Zählkunst bis hundert absolut einerlei
war. Ihrer waren so viele, dass die anderen, die Heiratslustigen, neugierig
wurden und hinterdrein liefen, ja, sich sogar nach vorn, zum Schlosstor,
durchdrängelten, um ja nichts zu verpassen. Denn niemand wusste, was die
seltsame Einladung zu bedeuten hatte. Und genau damit hatte der kluge Ulug Beg gerechnet.
Als Cassiopeia aus dem Fenster
schaute und die vielen jungen Burschen sah, da betrübte sie sich nun doch, weil
sie nicht anders meinte, als dass kein einziger sie mochte und haben wollte.
Und was immer sie an diesem aufregenden Morgen in ihrem Stübchen heimlich gezählt
hatte - es machte ihr keine Freude mehr. Da gab sie es für heute auf und begann
zu schluchzen: Hätte nicht unter den vielen hundert Jünglingen wenigstens einer
kommen können, der vielleicht der Richtige für sie war?
Hier verlassen wir sie in ihrem Herzeleid und kehren zu Ulug Beg zurück. Der hatte nämlich soeben ein neuartiges
Lotto erfunden, ein Gewinnspiel, es hieß „Fünf aus hundert mit Superzahl.“ Er
tat in seinen Hut hundert Glücks-Lose mit den Zahlen von 1 bis 100, und die
jungen Burschen, die sich in der Nähe des Schlosstors drängten, mussten jeder
ein Los herausziehen, bis der Hut leer war.
Dann wurden hundert Kugeln, ebenfalls nummeriert, in eine gläserne
Trommel gelegt, und die Prinzessin musste die Trommel vor allem Volk fleißig
drehen und mischen. Am Ende rollten sechs Kugeln heraus. Ulug
Beg stand dabei und wachte, dass alles ordnungsgemäß verlief, und verkündete
mit lauter Stimme die fünf Richtigen der Ziehung sowie die Superzahl: „Die
Drei, die Fünfundvierzig, die Achtzehn, die Einundneunzig, die Zweiundneunzig,
und die Superzahl Dreizehn!“
Die vornan wartenden Burschen – es waren ja jene, welche die
Prinzessin doch gern geheiratet hätten, entrollten nun mit bebenden Fingern
ihre Glücks-Lose, und wer eine der genannten Zahlen in der Hand hielt, musste
vortreten und wurde ins Schloss befohlen. Ohne Zweifel, das waren die fünf
Richtigen. Wo aber war die Superzahl? Ulug Beg machte
dem Rätseln rasch ein Ende: Er selbst, Ulug Beg,
hatte die Dreizehn aus dem Hut gezogen! Damit war er unter den Richtigen der
Allerrichtigste, und Cassiopeia nahm ihn.
Ach, sie hatte ja schon Gefallen an ihm gefunden! Er sah kein
bisschen aus wie ein Barbie-Prinz, auch nicht wie einer aus den bunten
Zeitungen. Er war eher klein als groß, schwarzhaarig, mit Mandelaugen und
leichten O-Beinen vom vielen Reiten. Ja, er war es, auf den sie gewartet hatte!
Die übrigen fünf Richtigen gewannen gemeinsam einen Trostpreis: ein Teeservice
für fünf Personen.
Die Hochzeit des jungen Paares wurde in aller Eile gefeiert,
und noch am gleichen Nachmittag ritten die beiden los ins Land Samarkand, die
Heimat Ulug Begs. Wie groß
aber war Cassiopeias Überraschung, als sie erfuhr,
dass ihr Bräutigam doch ein Prinz
war, ein König sogar, der Herrscher von Samarkand! Und ein großer Gelehrter und
Sterndeuter dazu! Bei Anbruch der Hochzeitsnacht saßen sie Hand in Hand in
seiner Sternwarte und warteten. Und als die Dunkelheit hereinbrach, deutete der
Sterndeuter auf die fernen Sternbilder, und einem, das noch keinen Namen hatte,
gab er den Namen seiner lieben Braut. Cassiopeia aber
zählte alle funkelnden Pünktchen am Himmel gewissenhaft, wie es ihre Lust und
Leidenschaft war.
7. Von der
Hochzeit des Prinzen
Der kinderreiche König des glücklichen Reiches Siebenglück suchte seinen Merkzettel hervor, nahm sein Lineal und strich säuberlich den Sonnabend durch, denn der war nun auch glücklich erledigt.
Projektwoche Hochzeit:
1. Prinzessin: Montag heiraten
2. Prinzessin: Dienstag heiraten
3. Prinzessin: Mittwoch heiraten
4. Prinzessin: Donnerstag heiraten
5. Prinzessin: Freitag heiraten
6. Prinzessin: Sonnabend heiraten
Nicht vergessen No 7: Der Prinz: Sonntag
heiraten.
Nun war nur noch der Königssohn übrig, Hans. Der war ein rechter
Tölpel und Dummerjan, die Sorge seiner Eltern, sie sprachen: „Hans hat nichts
gelernt, nur faul auf der Bärenhaut gelegen. Behüte, dass er ein armes
Aschenputtel nimmt, da müsste er Hungers sterben. Es soll unbedingt eine Königstochter
sein.“
Boten wurden ausgeschickt, aber sie fanden nirgends eine unvermählte
Prinzessin. Die letzte Hoffnung der Eltern ruhte darum auf den Drachen. Richtig
gehört, auf den Drachen. Nicht, dass
der Prinz einen heiraten sollte - nein, aber die Drachen waren die einzigen,
die eventuell eine Prinzessin versteckt hielten, die sie vorzeiten geraubt
hatten - ohne Böses dabei zu denken, einfach zur Kurzweil, zum Kopfkraulen, Mensch-ärgere-dich-nichts-Spiel, Bilderbuch-Vorlesen usw.
Wir haben ja schon sagen hören, dass es in Siebenglück die
ganz gefährliche Drachenart, die mit den fünf Köpfen, welche die Prinzessinnen
immer gleich frisst, nicht mehr gab, nur noch die friedliche, dreiköpfige
Sorte. Ein leichtes Abenteuer also stand Hans bevor - für ihn gerade richtig.
Die Eltern weckten ihn am Sonntag in der Frühe, er stand von
seinem Bärenfell auf, die Königin Karoline klopfte ihn sauber, der König Karl
der Größte versah ihn mit Ratschlägen und einem guten Schwert, nur für alle
Fälle: „Stell dich nicht zu dumm an,
Hans, „schärfte er ihm ein, „und häufe keine Schande auf Unser Haupt.“ „Ich
werd’ nicht sagen, wer meine Eltern sind, so werde ich Euch keine Schande
machen. Die Prinzessin wird mich auch so lieb haben“, sprach Hans und ging los.
Nach einer Weile kam er an eine Drachenhöhle, der dreiköpfige
Drache fragte. „Wer bist du, Menschenkind?“
„Kein Königssohn, nur ein Wandersmann, habt Ihr zufällig eine
Prinzessin hier? Dann muss ich nämlich mit Euch kämpfen und Euch die Köpfe
abschlagen!“
„Keine Prinzessin da“, antworteten die drei Köpfe. Wenn drei
es sagen, dann mag es wohl stimmen, dachte Hans. Er ließ sich also den Weg zur
nächsten Drachenhöhle erklären, bedankte sich und zog weiter.
Als er anlangte, schaute gerade wieder der Drache heraus, der
hatte vier Köpfe. Nanu, dachte Hans, ich denke, es gibt nur noch dreiköpfige?
Doch da bemerkte er, dass es kein Drache war, sondern eine Drachin,
vermutlich die Schwester des ersten. Und Hans hätte gar zu gern gewusst, ob
vierköpfige Drachinnen Königstöchter fressen oder mit
ihnen Mensch-ärgere-dich-nicht spielen.
„Einen vierfachen Gruß!“, sprach er, „Drei von eurem Bruder
und einen von mir. Ich bin kein Prinz, sondern nur ein Wandersmann, und euer Bruder
lässt Euch fragen, ob Ihr noch eine Prinzessin übrig habt?“
„Keine Prinzessin da“, grunzten die vier Köpfe schläfrig.
Drei davon waren noch unfrisiert, denn die Drachin
pflegte spät aufzustehen. Nun aber, als sie Hans genauer betrachtete,
blinzelten ihre acht Äuglein begierig.
An dieser Stelle muss ich mitteilen, dass Hans von Gestalt
nicht übel war, ein stattlicher Bursch, nicht zu dick, nicht zu mager. „Du
wirst gewiss erschöpft sein von der Wanderschaft“, sprach die Drachin listig. „Komm herein, ich will etwas Gutes kochen.“
Hans folgte ihr in die Höhle. Sie hieß ihn am Herd Platz
nehmen. Dort lag auch gleich eine Bärenhaut, wie er sie von daheim gewöhnt war,
und Hans setzte sich nieder, blieb aber wach.
Er sah wohl, dass sie in dem großen Kessel nur Wasser heiß
machte und nichts dazutat als eine Klaue voll Lorbeerblätter und etwas Salz.
Dabei plauderten die Köpfe über die liebe Verwandtschaft,
und wie es ihr wohl erginge in der Waldeseinsamkeit so ohne Prinzessinnen.
Hans tat arglos und fragte beiläufig, wieviel
Köpfe die werte Familie denn im ganzen zähle? „Zwölf!“
sagte die Drachin, und Hans rechnete blitzschnell:
Erster Bruder - drei Köpfe, die Schwester - vier, macht sieben, fehlen bis zur
zwölf fünf: Die Drachin hatte noch einen zweiten
Bruder, einen mit fünf Köpfen!
„Bis es kocht, will ich mich schön machen, sehe sicher schrecklich
aus“, säuselte die Gastgeberin und ging zum Spiegel, um ihre restlichen
Frisuren herzurichten. Als sie fertig war, holte sie aus der Vorratskammer
einen abgehäuteten Bären und warf ihn in das kochende Wasser. „Muss reichen“,
sagte sie, „ist nichts anderes im Hause.“ Als das Fleisch gar war, riss sie es
mittendurch, gab Hans die eine Hälfte und verteilte den Rest auf ihre eigenen
vier Teller. Sie aßen alles auf, und dann war Hans satt.
„Zum Dank sollst du mir einen Dienst erweisen“, sprach die Drachin. „Schlage mir mit deinem Schwert drei Köpfe ab,
dann verwandle ich mich in die Prinzessin, die du suchst.“
Hans konnte seiner Gastgeberin nichts abschlagen. Also schlug
er ihr, wie gewünscht, drei Köpfe ab. Da sagte sie mit dem vierten und lachte
voll böser List: „Habe Dank. Von heute an brauche ich weniger Zeit zum
Frisieren. Und nun wollen wir ein Mittagsschläfchen halten.“
Mit der Prinzessin war es also nichts, und Hans, der sonst gern
ein Schläfchen hielt, war heute gar nicht müde und verabschiedete sich lieber.
Als er bei der dritten Höhle ankam, erwartete er, fünf Drachenköpfe
an langen Hälsen zu erblicken, wie sie züngelten und Rauch und Feuer spien. Wie
verwunderte er sich, dass niemand zur Begrüßung herausschaute. „Heda“, rief er,
„ich bin ein Wandersmann, wo steckst du denn, Drache?“
„Kein Drache da“, hallte es aus dem Dunklen, und zum Vorschein
kam die wunderschönste Prinzessin, die man sich denken kann. Sie bat Hans
herein und ließ ihn in einem tiefen Schlummersessel Platz nehmen. Kein Wunder,
dass er in Schlummer fiel! Kaum aber war er eingeschlafen, so nahm sie ihm sein
Wanderhütlein vom Kopf, da quollen die goldenen Haare
hervor - das hatte ich vergessen zu erwähnen, Hans hatte, wie die meisten
Prinzen, goldene Haare - und nun sah sie natürlich, dass er ein Königssohn war.
Sie betrachtete ihn lange und entbrannte in herzlicher Liebe.
Als er erwachte, erlaubte sie ihm, sich überall umzuschauen,
nur die eine Tür am Ende der Höhle sollte er nicht öffnen, damit er keinen
Schreck bekäme. Hans ging umher, erblickte Truhen voller Gold und Edelsteine,
und als er ans Ende der Höhle kam, fand er richtig die Tür. Soll ich? dachte
er, soll ich nicht? Ich soll nicht! Und schon schob den Riegel beiseite. Was
musste er da erblicken!
In der Kammer lag an einer Kette der fünfköpfige Drache! Wie
kläglich sah er aus! Ganz dünn und vertrocknet, und er bettelte mit zitternder
Stimme um fünf Scheiben - Knäckebrot!
Als Hans zurückkehrte, sah die Prinzessin ihm an, dass er die
Tür doch geöffnet hatte. Und nun erzählte sie ihm alles - wie der Drache sie
geraubt, und wie sie ihn besiegt hatte, weil sie Kung
Fu konnte.
Da war Hans froh, und sie nahmen Gold und Edelsteine, soviel
sie tragen konnten, den Drachen banden sie an die Leine und kehrten heim in
Hansens väterliches Schloss. Da wurde die Hochzeit gefeiert, dass es eine Art
hatte! Hans erbte das Reich und den königlichen Merkzettel, golden eingerahmt,
zum Andenken.
Projektwoche Hochzeit:
1.
Prinzessin: Montag heiraten
2.
Prinzessin: Dienstag heiraten
3.
Prinzessin: Mittwoch heiraten
4.
Prinzessin: Donnerstag heiraten
5.
Prinzessin: Freitag heiraten
6.
Prinzessin: Sonnabend heiraten
Nicht
vergessen No 7: Der Prinz: Sonntag heiraten.
Ach ja, und der Drache
bekam das Gnadenbrot, wochentags Knäcke, sonntags
auch mal das gesunde Vollkorn. So waren alle, alle glücklich im glücklichen
Lande Siebenglück.