In einer Schulklasse stellte ein alter Lehrer die Aufgabe: "Herrschaften, heute schreiben wir einmal
ein Märchen."
"Wir haben noch nie ein Märchen geschrieben", hieß es.
"Eben", antwortete der Lehrer.
"Wie sollen wir das denn machen eh!"
"Denkt euch eins aus."
"Darf eine Prinzessin vorkommen?" fragte einer zaghaft.
"Ja, natürlich."
"Auch ein Prinz?" fragte eine.
"Ein Prinz auch."
"Eine Kutsche?" schlug jemand vor.
"Wie ihr wollt."
"Räuber?"
"Es ist euer Märchen, nicht meins", sagte der Lehrer.
Als er später saß und die Arbeiten durchsah, las er als erste die
folgende Geschichte: Eine Prinzessin reist in einer Kutsche, die wird von einem
Räuber überfallen. Zum Glück kommt ein Prinz des Wegs, verjagt
den Räuber und bekommt zum Dank die Prinzessin zur Frau.
Insgesamt verliefen dreiundzwanzig Märchen ähnlich glücklich.
Beim vierundzwanzigsten Schreiber, der als Querkopf galt, waren die Personen ein
wenig vertauscht: Ein Prinz überfällt eine Kutsche, in der ein Räuber
sitzt. Eine Prinzessin vertreibt den Prinzen und heiratet zum Dank den Räuber.
Der fünfundzwanzigste war ein Spaßvogel. Er fand das Thema durch
verschiedene Fernsehserien ziemlich abgedroschen und änderte alles: Eine
Kutsche, in der keine Prinzessin sitzt, wird von keinem Räuber überfallen.
Der Prinz heiratet die Kutscherin. Nicht zum Dank, einfach so.
Als der Lehrer das las, schmunzelte er.
Das sechsundzwanzigste Aufsatzheft gehörte Torsten. Der hatte sich
folgendes ausgedacht: Ein Ei mit der Aufschift FROHE OSTERN rollte in einen
Bach, trieb dem Fluß zu und danach dem Meer. Eine Strömung trug es
nordwärts, zum Nordpol. Das Salzwasser wusch mit der Zeit verschiedene
Buchstaben von dem Ei, so daß zum Schluß nur noch FR OST zu
lesen war. Seitdem ist es am Nordpol so kalt.
Als der Lehrer das gelesen hatte, seufzte er tief. Die Klasse würde
Torstens Märchen voraussichtlich blöde finden. Trotzdem schrieb er
eine Eins darunter. Er war ein mutiger Mann.